Humorvoller Auftakt zur „Ausstellung in der Ausstellung“ in der CASA Tony M. Auf eine überwältigende Resonanz stieß die Eröffnung der neuen „Ausstellung in der Ausstellung: Leichen – Ärzte – Jäger – Astronauten – Musiker“ von Tony Munzlinger am 15. September 2017 in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge in Wittlich. Über 200 Menschen waren zur Vernissage erschienen und wollten den „Maestro“ Tony Munzlinger persönlich erleben. Nach einer Begrüßung durch Bürgermeister Joachim Rodenkirch, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Stadt Wittlich, führte die Kunsthistorikerin Diana Lamprecht M.A. in die aktuelle Museumsschau der satirischen Cartoons aus den 60er Jahren ein. Die Trierer Expertin für Kunst & Antiquitäten hat die mehr als 2.600 Zeichnungen, Gemälde, Plakate, Grafiken, Keramiken sowie Ton- und Filmbänder der Schenkung von Tony Munzlinger an die Stiftung Stadt Wittlich in einer Museumsdatenbank erfasst und sich dadurch intensiv mit dem Werk des Malers, Cartooinisten und Filmemachers auseinander setzen können. Eindrucksvoll erläuterte sie anhand beispielhafter Zeichnungen aus den fünf Gruppierungen Leichen, Ärzte, Jäger, Astronauten und Musiker, dass es sich lohnt, genau hinzusehen, um immer wieder kritische Pointen in Munzlinger`s Werken zu entdecken. Festzustellen ist, dass die etwa 50 Jahre alten Cartoons nicht an Aktualität verloren haben und auch heute noch nach wie vor Bedeutung haben. Im anschließenden lockeren Gespräch zwischen dem Künstler und Friedel Drautzburg, Kunstsammler, Gründer der Ständigen Vertretung „StÄV“ in Berlin und neuerdings auch Inhaber des Ladengeschäftes „Friedel D.“ in Wittlich erfuhren die Gäste auch sehr viel Persönliches über Tony Munzlinger. Christoph Adams, ein enger Freund des Künstlers, war eigens aus Berlin angereist, um die Vernissage musikalisch zu umrahmen und begeisterte die Gäste mit Jazz und Swing am Klavier. Nach der Vernissage lud Bürgermeister Rodenkirch zum Betrachten der Cartoons ins Munzlinger-Museum in der Alten Posthalterei auf dem Marktplatz ein.
Geschichten formvollendeten Unsinns
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Großes Interesse an der neuen Ausstellung in der Ausstellung im Museum Tony Munzlinger und am Künstler höchstpersönlich. Wer nicht reserviert hatte, musste draußen bleiben, so groß war der Andrang zur Vernissage. Der Mensch war noch nicht auf dem Mond, da malte sich Tony Munzlinger aus, wie es dort sein könnte. Naturgemäß nicht, ohne komplett quer zu denken: Er schickt einen kleinen Astronauten in die Welten des Weltalls und lässt ihn beispielsweise auf Spuren treffen, die klar beweisen, dass schon vor ihm einer da war: Leonardo da Vinci etwa, das Universalgenie der Renaissance, der Maler, Bildhauer, Konstrukteur, Forscher, Architekt…! Ein Mensch, den neben großem Können sicher auch Neugier, Fantasie und immense Schaffenskraft ausmachte, auch wenn er nicht auf dem Mond war. Das kann man sicherlich auch über den 83-jährigen Munzlinger sagen, der bislang, so betont später Friedel Drautzburg, mehr als 33.000 Zeichnungen geschaffen hat.
Und wie witzig ist Munzlingers formvollendeter Unsinn! Dazu ist er von tiefer Einsicht in die Abgründe des Menschseins getragen. Die absurden Situationen, teils Katastrophen, die sein Erfindungsreichtum erschaffen hat, sind so beredt, dass sie ohne Worte auch das bewirken, was man großen Dramen seit jeher nachsagt: eine Katharsis: eine Art seelische Reinigung als Wirkung. Indem man in den Abgrund geschaut hat, überwindet man – nach einem kleinen Schock – durch das Lachen die Angst vor ihm. Das vermag vielleicht nicht jeder, wenn rabenschwarzer Humor im Spiel ist. Aber bei zur Vernissage ist dennoch reichlich Kichern zu hören.
Denn was sich Tony Munzlinger vor einem halben Jahrhundert einfallen ließ und mit geschliffener Tusche-Linie zeichnete, ist immer noch erfrischend erhellend. Das gilt nicht nur für seine satirischen Cartoons, die ab sofort unter dem Titel “Leichen – Ärzte – Jäger – Astronauten – Musiker” in der Casa Tony M. am Marktplatz zu sehen sind. Mit tiefklugem auch distanziertem Blick auf die Unzulänglichkeiten der Menschen, die sich sonst so allmächtig fühlen, halten die gezeichneten Satiren dem Betrachter auch den Spiegel vor. Und dabei spottet Munzlinger nicht à la mode. Er ist zeitlos, ruselt jedes Pathos ab und entblößt Ideale, ohne sie komplett lächerlich zu machen.
Irgendjemand hat einmal Poesie als das richtige Gefüge der Dinge bezeichnet. Und in Munzlingers Art sind nicht nur die satirischen Cartoons der 1960er Jahren poetisch, auch wenn’s manchmal weh tut, einem das Lachen auch schon mal im Halse stecken bleibt und für “richtig” sonst andere Maßstäbe gelten…
Gelächter gab es schon viel beim Auftakt in der Synagoge. Etwa zur Zeichnung des Skeletts, das vor dem Krematorium Brandsalbe feilbietet. Dazu schickte Bürgermeister Joachim Rodenkirch voran: “Die Kunst von Tony Munzlinger ist der natürliche Feind der Normalität.” Nach einer sachlichen Einordnung durch Kunsthistorikerin Diana Lamprecht gab es denn auch ein Gespräch jenseits der Normalität, das eigentlich Friedel Drautzburg als Promiwirt, Kunstsammler, neuer Ladeninhaber in Wittlich und der Künstler führen sollten.
Tony Munzlinger selbst sind solcherlei Angelegenheiten in der Regel höchst unangenehm. Und so konnte man einer Sequenz spontanen absurden Theaters beiwohnen. Immerhin war zuvor des Autors Eugène Ionesco gedacht worden, für dessen Werk auch wie sinnlos verknüpfte Dialogsequenzen typisch sind. So gab’s eine Art Anti-Gespräch, statt Standard-Reden. Viele fanden das amüsant und überraschend, einigen fehlte die Sicherheit, die ein Moderator gegeben hätte. Vergessen wird’s keiner. Dazu gab’s noch unerhört schön schwebend und swingendes Klavierspiel von Christoph Adams, den Jazzfreund Tony Munzlinger gar zur Zugabe aufforderte.
Dann pilgerte die Menge in Casa Tony M. zur Ausstellung. Dort ist jedem der fünf Themen ein Raum gewidmet, ein jeder füllte sich mit einer heiter aufgelegten Gästeschar. Dazu trug Wittlicher Wein bei. Mittendrin: Simone Röhr, die für die Ausstellung verantwortlich zeichnet und zuvor für ihren Spezialeinsatz – auch eine Kunst – Applaus ernten durfte.
Sprüche von Tony Munzlinger …
…auf die Frage, ob er selbst schon mal gejagt oder geangelt hat: “Ich mag das nicht, Tiere töten. Aber ich kann toagken.” Toagken? Damit bezeichnen die Wittlicher das Fangen von Fischen unter Steinen in der Lieser mit bloßer Hand.
…zu seiner Berühmtheit: “Vorher war das alles nichts. Aber als ich zum Beispiel den Bundesfilmpreis gekriegt habe, da ändert sich bei den Leuten was im Gehirn. Vor allem das Fernsehen macht viel aus. Da ändert sich die Wertigkeit in der Betrachtung der Menschen.”
… zur Vernissage: “Der ganze Aufwand, den die betreiben! Die Leute sollen nur die Bilder gucken. In Italien läuft jetzt auch eine Ausstellung. Die wollten eine ,Konferenz mit dem Künstler’. Da habe ich gesagt: ,Ihr könnt’ euch das abschminken. Ich komme nicht'”
…zu Menschenansammlungen: ” Das ist ja mein Horror, weil ich jeden spüre, diese Aura. Das ist mir zu viel, diese Eindrücke. Ich zeichne und male, was soll ich da noch quatschen.”
… über die Eigenarten seiner gezeichneten Anatomie: “Mir hat mal einer gesagt, er fände meine Ohren so toll. Alle wie eine 3 gezeichnet! Dass das stimmt, habe ich dann auch erst gemerkt.”
…zu den Titeln. “Leichen klingt ein bisschen blöd. Knochen wäre besser. Und satt Musiker sollte es Musikanten heißen. Das klingt schöner, wenn man es sagt: Astronauten, Musikanten.”
…zur Aussprache seines Namens: “In Amerika haben die das Mudslinger ausgesprochen. Das heißt auf Deutsch Dreckschleuder.”
…zum Segeln: “Dazu hat ja mal einer gesagt: Voll angezogen unter der Dusche stehen und 100-Mark-Scheine zerreißen. Das ist Segeln.”
… am Ende des Gesprächs mit Friedel Drautzburg: “So, ich hoffe, wir haben nicht zu viel geblödelt. Gehen wir jetzt Bilder gucken und was trinken.” Und als dann Friedel Drautzburg noch wünscht: “Sollen wir nicht das Publikum fragen, ob es nicht noch etwas fragen will?”, sagt Tony Munzlinger: “Gerne, und du kannst ja antworten.” Sein Schlusswort: “Viel Vergnügen!”